Kooperation

(24.06.08)

Von Kleinen und Großen lernen
Kooperationsprojekt mit der Universität geht an den Start - Neuland für alle


Mit Begeisterung erklärt Nico aus der 2. Klasse Lilli in der 1. Klasse den ZehnerÜbergang an einer Rechenmaschine.
Foto: Hermann Pentermann

Von Stefanie Hiekmann
BAD IBURG/OSNABRÜCK.
Nach den Sommerferien wird es an der Grundschule am Hagenberg keine ersten und zweiten Klassen mehr geben. Das heißt aber nicht, dass weniger Schüler unterrichtet werden, sondern nur anders. Sie lernen dort in Zukunft nicht mehr in altbekannten Klassen, sondern in der Eingangsstufe.
Das Modell können Grundschulen in Niedersachsen seit 2003 freiwillig einführen. Wie das Brückenjahrprojekt, an dem sich die Grundschule am Hagenberg ebenfalls beteiligt, soll auch die Eingangsstufe den Kindern den Übergang vom Kindergarten ins Schulwesen erleichtern und zudem noch ungenutzte Kompetenzen der Schulanfänger wecken.
Die Eingangsstufe umfasst zwei Jahre. Neu ist, dass die Verweildauer bei leistungsstarken Schülern auf ein Jahr verkürzt und bei langsameren auf drei Jahre verlängert werden kann. Gearbeitet wird in jahrgangsgemischten Lerngruppen aus früheren Erst- und Zweitklässlern. "Die Jüngeren profitieren von den älteren und auch umgekehrt", sagt Steffi Baalmann, Schulleiterin der Grundschule am Hagenberg. Das gegenseitige Erklären auf Augenhöhe motiviere die Kinder und bringe sie jedes Mal erneut zu einem Erfolgserlebnis.
Das hat die Schulleiterin selbst gesehen, als sie sich mit Kolleginnen an verschiedenen Grundschulen in Bielefeld, Bremen, Stolzenau und Holte Bilder von bestehenden Eingangsstufen gemacht hat. "Vor allem das soziale Lernen bekommt einen höheren Stellenwert", sagt Baalmann. Und das sei neben dem kognitiven Lernen mindestens genauso wichtig. Kinder lernten, wie sie sich selbst und ihren Mitschülern weiterhelfen könnten.
"Mal weiß der eine schon etwas aus dem Kindergarten oder von zu Hause, und dann hat ein anderer eher die Antwort parat", schildert Baalmann ihre Eindrücke. Einige Kindern müssten auch zuerst lernen, dass Helfen nicht vorsagen heißt. Diese Erfahrung haben die Kolleginnen der Grundschule in Bad Iburg auch mit den bisherigen Erstklässlern gemacht, die ab Sommer die "Großen" in der Eingangsstufe werden. Sie wurden in den letzten Monaten schon auf den Wechsel vorbereitet und seien "ganz heiß darauf, anderen etwas zu erklären".
Der Tagesablauf ist in Zeitblöcke und nicht mehr in 45-Minuten-Stunden gegliedert. Ziel ist es dabei, einen Rhythmus aus Lese-, Experimentier- oder Schreibzeiten zu schaffen, der den Kindern Sicherheit gibt. "Kinder wollen morgens wissen, was mittags Sache ist", sagt die Schulleiterin.
Insgesamt steht der fächerübergreifende Faden im Mittelpunkt des Tagesablaufs, der dabei zum Beispiel einem alltagsnahen Thema gewidmet sein kann. "Im Herbst bietet sich der Obstkorb an", sagt Dr. Ekkehard Ossowski, Dozent für Grundschulpädagogik an der Universität Osnabrück. Mit einer Gruppe von 15 Studierenden, die regelmäßig im Unterricht hospitieren werden, begleitet er das Bad Iburger Eingangsstufenmodell wissenschaftlich. "Dadurch profitieren wir Lehrer auch sehr, da auch wir so ein Feedback für das Verhalten in dieser neuen Aufgabe bekommen", sagt Steffi Baalmann.
Der Obstkorbtag könnte mit einer Stuhlkreisdiskussion "Was draußen im Herbst an den Bäumen passiert" anfangen. Dabei kommen Aspekte aus dem Fach Sachunterricht zur Sprache, und der Apfel könnte unter die Lupe genommen und später in einer gemeinsamen Pause gegessen werden. Danach wird gelernt, welche Buchstaben zum Apfel gehören. Hier sind die älteren dann schon einen Schritt weiter und schreiben kleine Apfelgedichte. Dann werden Herbstlieder gesungen, und im mathematischen Teil des Tages müssten die Kinder dann zu guter Letzt herausfinden, wie viele Früchte in der ungeordneten Obstkiste stecken.
Steffi Baalmann und ihre Kolleginnen sehen der Herausforderung mit hohen Erwartungen entgegen. "Wir sind gespannt, wie alle Beteiligten mit der neuen Art des Schuleinstiegs klarkommen."



Ausgabe vom 24.06.08